22.05.2019 - Expertenstandard Demenz

Ende März 2019 fand ein Workshop des Deutschen Netzwerkes für Qualität in der Pflege (DNQP) zum Expertenstandard "Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz" statt. Im Zentrum der Veranstaltung standen die Herausforderungen und Erfahrungen sowie die Empfehlung aus der Implementierungsphase. Der Expertenstandard wurde in den Jahren 2016 und 2017 erarbeitet. An der sechsmonatigen Implementierungsphase haben 29 Einrichtungen teilgenommen.


Im neuen Expertenstandard stehen nicht die Defizite der Menschen mit Demenz im Vordergrund, sondern deren Bedürfnisse und Lebensqualität. Als zentrales Bedürfnis wird die Beziehung in den Mittelpunkt gerückt. Nicht das WAS ist ausschlaggebend, sondern das WIE. Dazu gehören Zugewandtheit, Aufmerksamkeit, Beachtung der Individualität, Anerkennung, Präsenz.


Nach dem Demenzexperten Tom Kitwood können an Demenz Erkrankte nur in der Begegnung mit anderen wieder ein wenig Klarheit über sich selbst erlangen. Wenn dieses "Hilfs-Ich" fehlt, ist verstärkt mit schlechter Lebensqualität und herausforderndem Verhalten zu rechnen.


Der Expertenstandard unterscheidet fünft thematische Schwerpunkte:

Haltung und Kompetenz: Hier wird die Rolle der Pflegekraft als Hilfs-Ich beschrieben. Die subjektiven Bedürfnisse der Menschen mit Demenz spielen eine wichtige Rolle.  Aus der Interaktion heraus lassen sich Störungen und Bedarfe in der Pflegerischen Beziehung gut einschätzen. Es werden Kriterien beschrieben (z. B. Krankheitseinsicht, Sprache, Aufmerksamkeit), die kognitive Veränderungen verlässlich erkennen lassen.


Planung und Durchführung der Pflege: Hier werden Wissen und Kompetenzen beschrieben, die die Fachkraft mitbringen sollte. Hervorgehoben werden die kommunikativen Kompetenzen. In diesem Zusammenhang ist die Verstehenshypothese wichtig. Hierbei geht es darum, die Dinge aus Sicht der erkrankten Person zu rekonstruieren und sich in sie hineinzuversetzen. Aus dieser Perspektivenübernahme heraus wird dann die Pflege gestaltet. Die auf Kontrolle, Ordnung und Sauberkeit fokussierte Pflegekultur ist dabei nur bedingt kompatibel. Einrichtungen aber auch Aufsichtsbehörden müssen das erkennen.


Anleitung, Schulung, Beratung: Durch einen proaktiven Beratungsansatz unterstützt der Expertenstandard Menschen mit Demenz und deren Angehörige, sich auf die Situation einzustellen und möglichst gut mit der Erkrankung zu leben. Im Idealfall teilen professionell Pflegende und Angehörige gemeinsam eine Sorgehaltung. 


Maßnahmen und Angebote: Wenn Pflegende beziehungsfördernde Angebote kennen, können sie situationsbedingt besser auf subjektive Realitäten wie zum Beispiel Halluzinationen oder Illusionen reagieren. Sie können eine Teilhabe am sozialen leben und einen lebendigen Alltag gestalten. Die Selbstbestimmung des Betroffenen und seine Wünsche sind dabei der Maßstab.  


Evaluation: Die Evaluation ist täglich durchzuführen. Der persönliche Kontakt der verantwortlichen Pflegekraft mit dem an Demenz Erkrankten ist unabdingbar. Im Krankheitsverlauf wird es immer schwieriger, dass Personen mit Demenz Rückmeldungen geben und die Pflege bewerten können. Deshalb muss besonders auf nonverbale Anzeichen geachtet werden. So zum Beispiel mimische und gestische Reaktionen sowie die Körpersprache oder die Stimme. Pflegende können auch versuchen, über Beobachtung


  • Stimmung und Affekt
  • Beziehung und Interaktion zu Mitmenschen
  • Betätigung und Eingebunden-Sein
  • Anzeichen für das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit

zu beurteilen. Entsprechende Indikatoren und Aspekte werden im Expertenstandard beschrieben. Die Ziele Reduzierung von Angst und Unruhezuständen sowie von Apathie und Depressivität ziehen sich durch alle Ebenen.


Mit der Anwendung des Expertenstandards ergeben sich für die Einrichtungen auch Veränderungen. So muss zum Beispiel ein personenzentriertes Konzept entwickelt werden. Die Pflegeplanung und Dokumentation ist beziehungsorientiert auszurichten. So werden zum Beispiel Zitate der Personen mit Demenz, die Hinweise auf die vier Beurteilungskriterien geben, dokumentiert. Eine kontinuierliche Praxis von Fallbesprechungen muss etabliert werden. Wie wird die kontinuierliche Kompetenzentwicklung bei Mitarbeitern sichergestellt.

Der Expertenstandard bündelt das aktuell verfügbare Wissen zum Thema Pflege von Menschen mit Demenz.